Mauretanien - Mali



Strasse der Hoffnung

20. September Nouakchott – Vor Aleg

Nach einer schwül-warmen Nacht mit vielen Mücken und Fliegen dauerte es am Montagmorgen einen Moment, bis wir in die Gänge kamen. Wir wollen weiter, es ist hier zu heiss!

In einem Reiseführer haben wir gelesen, dass es vorteilhaft sei, die CEDEAO-Versicherung für Westafrika (Carte brune) hier in der Hauptstadt zu besorgen und nicht erst an der Grenze zu Mali. Die Versicherung kann dann auch nicht direkt an der Grenze besorgt werden, man muss etwa 30km in die nächste Stadt fahren. Dieser „Versicherungslose“ Zustand werde von Malischen Polizisten gerne dazu genutzt, Touris abzuzocken. Also entschieden wir, ein Versicherungsbüro zu suchen, was auch schnell und problemlos ging. Die Versicherung haben wir jetzt für 2 Monate und sie ist bis Kamerun gültig. Oder sogar Kongo, erinnere mich nicht mehr. Wozu diese Versicherungen gut sein sollen ist mir eh ein Rätsel! Keine einzige Versicherung wird uns im Schadensfall auch nur das allergeringste zurückerstatten oder uns helfen. Sind ja schliesslich Ausländer und selber schuld. Zynisch? Vielleicht ein wenig, ja. Andererseits – haben wir die Versicherung nicht, dann werden wir garantiert sicher dumm und dämlich zahlen müssen um aus einem – hoffentlich nie passierendem Unfall – wieder raus zu kommen. Inshallah!

Nach dem Versicherungskauf dann noch auftanken und es war bereits früher Nachmittag, als wir Nouakchott endlich verliessen. Es dauerte etwa 20 Km bis wir endlich ganz aus der Stadt raus waren. Dafür wurden wir dann aber mit einer wunderschönen Strecke belohnt! Wir fühlten uns wie in einem überdimensionierten, riesigen farbigen Sandkasten: Die Dünen sind hier nämlich mehrfarbig. Unten meist weiss/gräulich, dann weiter oben gelb und zuoberst orange. Dann gibt es wieder Dünen, die einfarbig sind, die nächste dann in einer anderen Farbe usw. Dazwischen stehen schön zur Garnitur des Gesamtbildes grüne Bäume und oder Sträucher. Wie gesagt – bombastisch! Wir fuhren bis etwa 30 Km vor Aleg und machten ein Buschcamp ein wenig abseits der Strasse.

Es ging nicht lang, da erhielten wir Besuch von einem Hirten. Der genoss es wohl, ein wenig zu sprechen, auf alle Fälle blieb er recht lange bei uns. Myriam schenkte Leo für die Reise Lachgummis. Die wurden dann zum Dessert genüsslich verdrückt. Schliesslich war heute Schafscheid und wir dachten den ganzen Tag immer wieder an zu Hause und wollten uns doch auch etwas Gutes tun.



21. September – Vor Aleg – Kiffa

Die Sonne weckte uns schon sehr früh und so fuhren wir bereits gegen 8 Uhr los. Die Kids liessen wir schlafen. Schliesslich stand heute die längste Etappe der „Strasse der Hoffnung“ auf dem Programm. Erich ist nicht superfit, er klagt über ein Kratzen im Hals und Schnupfen. Ist ja auch schwierig: Ständig sind wir bachnass verschwitzt, im Lastwagen haben wir aber sämtliche Fenster offen, um ein wenig Luftzug zu haben. Das kann auf die Länge ja nicht gehen…

Als Lara dann wach war, klagte sie über Kopf- und Bauchschmerzen. Sie trank ein wenig, um kurz darauf wieder zu erbrechen. Die Arme hatte auch Fieber und fühlte sich wirklich nicht gut. Ich betreute sie so gut als irgend möglich und zum Glück konnte sie recht bald wieder einschlafen. Sie schlief dann fast den ganzen Tag und jetzt am Abend ist die Geschichte wohl schon wieder ausgestanden. Sie wollte grad mit ein paar Jungs Fussball spielen gehen…

Zurück auf die Strasse: Der Weg heute war nicht ganz so spektakulär wie gestern aber auch so sehr schön zu fahren. Einziger Wermutstropfen: Wir haben – übrigens ohne zu übertreiben!!! – sicher 500 Kadaver auf- und neben der Strasse gesehen. Stellt euch das so vor: Unendliche Weiten Steppe, d.h. es ist jetzt während der Regenzeit im Verhältnis recht grün und hat auch immer mal wieder kleine Seen oder Tümpel. Die Flüsse führen z.T. ein wenig Wasser. Auf alle Fälle ist hier die fruchtbarste Region ganz Mauretaniens. Es gibt viele Nomaden und etwa 30 Siedlungen oder Städtchen am Weg. Die Nomaden haben also Dromedare, Kühe, Esel und Schafe. Dadurch, dass die gesamte Strecke etwa 1200 Km lang ist, hat es natürlich keine Zäune. Das wiederum heisst, dass man extrem aufpassen muss beim Fahren. Bei uns Touristen ist das ja kein Problem und wir passen das Tempo dementsprechend an. Bei den Überlandfahrern hingegen zählt jede Minute. Wenn da jetzt also ein absurd überladener LkW (und die sind echt ALLE überladen) voll Karacho dahinblocht und ein Esel nimmt mutig den Zweikampf auf… Ratet mal, wer gewinnt. Ein trauriges Bild!!!

Diese Strasse ist verhältnismässig neu. Sie wurde in den 90ern erbaut um von Nouakchott ins Nachbarland Mali zu gelangen. Mali ist ein Binnenstaat und Mauretanien versprach sich das grosse Geld, da am Meer gelegen.  Die Idee war wohl gut, aber die ewigen Streitereien zwischen den beiden Staaten führen dazu, dass Mali sich eher durch Ghana mit allem Notwendigen beliefern lässt anstatt durch Mauretanien. Nichts desto trotz hat diese Strasse auch Gutes bewirkt: Die Städte Aleg, Kiffa und Ayoune erlebten einen regelrechten Aufschwung. Die Bauern die hier Landwirtschaft betreiben können ihre Waren viel besser und einfacher in die Hauptstadt liefern. Also erfüllten sich die Hoffnungen in die Strasse irgendwie doch, wenn auch anders als gedacht.

Gegen 4 Uhr heute Abend kamen wir in Kiffa an und wir übernachten auf dem Campingplatz der Auberge „Phare du Sahara“. Der Platz ist zwar nicht wirklich der Hit, aber zum Glück sind wir hier abgestiegen. Denn!!! Es hat geregnet!!! Ja! Unglaublich, wie das hier geschüttet hat. Das war so eindrücklich – am ehesten vorstellbar mit einem extrem heftigen Sommergewitter bei uns. Das lustigste war: Als wir hörten, dass es donnert, kam der Besitzer angerannt, er habe Stühle für uns gerüstet, wir sollen schauen kommen, wie es regnet. Tatsächlich. Da standen 5 Stühle auf dem Vorplatz. Schön in einer Reihe. Wir sollten uns jetzt da hinsetzen, und schauen wie es regnet. Ohne Vordach, Schutz oder irgendetwas natürlich. Auch unser Einwand, dass es in der Schweiz an 300 Tagen im Jahr regne, und dass das für uns jetzt nicht wirklich etwas unglaublich tolles sei – kam nicht an. Ungläubiges Kopfschütteln. „Aber es regnet doch!“. Also setzten Erich und ich uns brav einen Moment hin und schauten halt zu, wie es regnet. Auch gut. Wir arbeiten wirklich an der Völkerverständigung, grins.

Die Kids verzogen sich unterdessen in ein riesengrosses Nomadenzelt. Das Zelt ist mit einer Art Teppich überzogen. Am Anfang hatte es noch den Anschein, dass es dicht hält. Je länger der Regen aber dauerte, desto mehr tröpfelte es dann auch darunter. Der Spuk dauerte etwa eine Stunde, dann war die Luft um ein paar Grad kühler. Wir fröstelten sogar! Das hat aber auch gut getan, wieder mal tief, tief Luft zu holen, ohne dass man das Gefühlt hat, das die Lungen gleich anfangen zu brennen.

Später am Abend wurden wir dann zum Tee eingeladen und verplauderten eine gemütliche Stunde am Gasrechaud. Klingt jetzt nicht ganz so schön wie „am Lagerfeuer“ aber ich schreibe ja einen Tatsachenbericht und keinen kitschigen Abenteuer-Reise-Roman. Da sitzen die Leute nämlich immer am Lagerfeuer unter einem unbedeckten Sternenhimmel und mit dem Kreuz des Südens über einem! Bei uns eben Rechaud und bedeckter Himmel. Aber dennoch schön und ziemlich international: Malier, Burkinabé, Mauretanier und ein paar Bleichgesichter, das waren wir ;-)

Merkt man, dass ich nicht einschlafen kann? Schreibe da vor mich hin, ohne wirklich viel dabei zu überlegen. Es ist nämlich schon wieder elend tüppig, die Abkühlung vom Abend hat nicht wirklich viel gebracht! Starte jetzt nochmal einen Versuch, denn morgen haben wir wieder volles Programm. Wir haben nicht mehr viel Bargeld und müssen eine Bank suchen, die vielleicht Euro oder Dollar wechseln kann. Bankomaten sucht man in diesem Teil des Landes vergebens. Wir sind jetzt nur noch etwa 350 Km von der Grenze zu Mali entfernt. Mal schauen, ob wir das morgen direkt durchziehen oder doch lieber in zwei Etappen. Kommt ganz darauf an, wie Fit Erich ist.


22. September Kiffa – vor Ayoune

Erich geht’s viel besser, jetzt bin ich dran mit schwächeln. Mein Kreislauf ist ziemlich hinüber. Habe keine Kraft zu gar nichts. Erschwerend kommt übelste Holperpiste – wir schaffen das geplante Tagesziel nicht und werden an einem Polizeiposten etwa 30Km vor der Stadt angehalten und sehr freundlich (…) aufgefordert, den Wagen hier stehen zu lassen. Direkt an der Strasse. Toll, das wird eine spannende Nacht. Es ist wieder unerträglich heiss, auch Nachts kühlt es kaum ab.


23. September Ayoune – Nioro (Mali)

Mir geht’s nicht wirklich besser, also kümmert sich Erich um alle Grenzformalitäten. An der zweitletzten Polizeikontrolle Mauretaniens werden wir wieder mal abgezockt. Der Polizist wollte den Versicherungsnachweis sehen, den hatten wir natürlich dabei. Er schaut ihn kurz an und meint dann, wir müssten eine Busse bezahlen, da wir 5 Personen seien, hier aber stehe 2/3. Das heisse, es seien zwei, maximum 3 Personen versichert aber nicht 5. Idiot.  Unser Argument, dass heisse 2 Erwachsene, 3 Kinder liess er nicht gelten. Ewiges hin und her und ich pflegte wieder mal einen Ausraster. Und wieder musste Erich mich in den Camion schicken, da er Angst hatte, dass ich vom Fleck weg verhaftet werden würde. Es war also ein unschöner Abschied aus diesem Land, das bei mir extrem zwiespältige Gefühle hinterlässt. Ich gebe zu, dass ich mit der ganzen Macho-Gesellschaft wirklich nicht zurechtkomme!

Die Einreise nach Mali funktionierte dann wunderbar, wir waren vielleicht gerade mal eine halbe Stunde an der Grenze und hatten alles unter Dach und Fach. Bis an ein Dokument das „Laisser passer“ heisst. Das benötigen wir für unseren Schtudi. Das würden wir in Nioro erhalten. Die ungefähr 60 Km waren schnell geschafft und wir kamen am frühen Nachmittag in dem Städtchen an. Wow. Wir sind in Afrika! Die Frauen sind meist nicht mehr verschleiert, dafür schön bunt angezogen. Wir werden von allen freundlich gegrüsst und angelacht. Das tut direkt gut! Der Polizeichef machte grad seine Mittagspause, er komme nicht vor 17.30 Uhr zurück. Also beschlossen wir, beim grossen Truckerparkplatz Eingangs Dorf zu übernachten. Schon bald hatten wir Besuch einer Horde Jungs, die sich mit uns unterhalten wollten. Es war wirklich nett, mit ihnen zu plaudern. Ein „mobiler Koch“ hatte eine Art Küche auf dem Platz aufgebaut und da wir zu faul zum Kochen waren, haben wir Omeletten für die Kids und „Riz arachid“ (Reis mit Erdnusssauce) für Erich und mich bestellt. Es war lecker, aber viel zu viel!

Die Nacht war dann leider einer der schlimmsten bisher. Ich glaube Trucker sind eher nachtaktiv. Denn tagsüber, als wir ankamen, lagen alle im Schatten herum und warteten auf irgendetwas. Kaum war Schlafenszeit sind alle erwacht und hörten Musik (notabene jeder einen anderen Sender). Dazu kam die unerträgliche Hitze und die Mücken. Trotz Mückennetzen plagen uns die Blutgierigen Viecher bis zum geht nicht mehr!


24. September  Nioro – Bamako

Schon sehr früh und total gerädert machten wir uns auf den Weg nach Bamako. Vom Tag selbst habe ich wenig und nichts gesehen. Mir geht’s wieder schlechter. Ich schlafe immer mal wieder ein wenig ein um kurz darauf wieder aufzuschrecken. Irgendwann kommen wir dann zum Glück in Malis Hauptstadt an. Der ausgewählte Übernachtungsplatz erweist sich dann als totaler Flopp! Man kann nämlich gar nicht campen. Kurzerhand nehmen wir uns also ein Hotelzimmer, damit sich die Kiddys im Pool endlich wieder mal richtig abkühlen können. Das Zimmer stinkt bestialisch – was sind wir doch wohl in unserem Haus auf vier Rädern! Nun, für eine Nacht geht’s und morgen suchen wir eine Lösung, wir brauchen nämlich alle ein wenig Erholung…